Leuchtgas
Die Geburtsstunde der Gasversorgung begründete am 21. Juni 1862 ein Vertrag mit der Firma Riedinger aus Augsburg (ab 1873 „Lindauer AG für Gasbeleuchtung“) über die Beleuchtung des Seehafens, des Bahngeländes und der städtischen Beleuchtung. Dies geschah, weil sich seine Majestät König Maximilian II von Bayern zur würdigen Umrahmung seines Bayerischen Bodenseehafens und des Bahnhofs der bayerischen „Nord-Süd-Bahn“ eine glanzvolle Illumination wünschte. Der Vertrag mit dieser „Lindauer Aktiengesellschaft für Gasbeleuchtung“ bestand bis 1900, wurde dann aber nicht verlängert, da die Monopolstellung dieser AG jegliche Verbesserung unmöglich machte und der Errichtung eines Städtischen Elektrizitätswerkes im Wege stand. Auch weil sich das gelieferte Gas weniger durch seinen hohen Leuchtwert, sondern durch seinen enorm hohen Preis (der Kubikmeter kostete 35 Pfennige) auszeichnete, wurde der Vertrag von der Stadt als Last empfunden. Deshalb beschloss der Stadtmagistrat im Jahr 1895, den Vertrag nicht zu verlängern, sondern ein Städtisches Elektrizitätswerk zu errichten. Das Gaswerk auf der Hinteren Insel wurde 1900 stillgelegt.
Stadtgas
Im Jahr 1906 überlegten sich die Stadtoberen, neben dem Städtischen Elektrizitätswerk nun auch ein eigenes Gaswerk zu betreiben, um Lindau mit Koch- und Heizgas zu versorgen. Nach Beschluss des Stadtmagistrates begann die Firma Bamag/Berlin 1911 auf dem städtischen Gelände neben dem Bentele-Gut in Reutin mit dem Bau eines Gaswerkes zur Versorgung der Inselstadt. Der Bau des Gasrohrnetzes wurde ebenfalls der Firma Bamag übertragen. Vom Gaswerk zur Inselstadt wurde eine drei Kilometer lange Gussrohrleitung von 200 Millimeter lichter Weite verlegt. Am 7. Dezember 1912 wurde das Gebäude feierlich eröffnet und am 9. Dezember 1912 begann die regelmäßige Gasversorgung. Das Gas wurde aus Steinkohle in drei Retortenöfen erzeugt. Zur Sicherstellung einer entsprechenden Gasabnahme wurden im Vorfeld – wenn gewünscht - sämtliche Häuser in Lindau kostenlos an das neue Gas-Netz angeschlossen. Der erste industrielle Gaskunde des Städtischen Gaswerkes war 1913 die Nestlé-Milchfabrik in Rickenbach. Ab 1914 wurde die Gasversorgung auf die Gemeinden Aeschach, Hoyren und Reutin ausgedehnt. Der Gasabsatz erhöhte sich in den Folgejahren stetig und erforderte über die Jahre regelmäßige Umbauten und Erweiterungen. So wurden 1926 die umständlich zu bedienenden Retortenöfen durch Kammeröfen ersetzt. 1937 wurde – wieder von der Firma Bamag-Berlin – eine moderne Koksaufbereitungsanlage mit Vorrats- und Sortierbunker aufgestellt. 1954 startete die Lieferung von Stadtgas nach Bregenz. Zu diesem Zweck wurde eine Mitteldruckleitung vom Gaswerk Lindau-Reutin bis zum Bahnhof in Lochau gebaut.
Flüssiggas-Spaltanlage
Zur Sicherung der Versorgung und aus wirtschaftlichen und Umweltgründen wurde 1959 eine Flüssiggas-Spaltanlage gebaut. Mit Inbetriebnahme der beiden Öfen mit je 28.000 Nm³/Tag wurde die Erzeugung von Gas aus Kohle eingestellt. Das Gas wurde jetzt in flüssiger Form in Eisenbahnwaggons angeliefert. Der ständig steigende Gasbedarf erforderte bereits 1960 den Umbau der Spaltanlage auf Parallelbetrieb der Öfen.
1965 führte die gemeinsame Gasbeschaffung mit den Stadtwerken Friedrichshafen und Ravensburg zur Gründung des Zweckverbandes Gasversorgung Oberschwaben (GVO). Der Anschluss an die oberschwäbischen Erdgasfelder Pfullendorf und Fronhofen erfolgte 1968.
Erdgas
Am 14. September 1970 kam erstmals Erdgas aus Pfullendorf nach Lindau. Das noch in den Gasleitungen befindliche Stadtgas wurde abgefackelt und durch nachrückendes Erdgas ersetzt. Der Leitungsbau Bonlanden-Ravensburg im Jahr 1976 bedeutete schließlich den Anschluss an die Ferngasleitungen des europäischen Gas-Verbundnetzes. Seit 1978 wurde über dieses Verbundnetz Erdgas der Gruppe H (hoher Brennwert) geliefert. Das hatte zur Folge, dass die Gasgeräte der Verbraucher, die 1970 auf Erdgas der Gruppe L (niedriger Brennwert) eingestellt worden waren, jetzt kostenlos auf die neue Gasart angepasst werden mussten. In den Jahren 1979 bis 1980 wurde eine neue Hochdruckleitung vom Gaswerk Lindau zur Stadt Bregenz gebaut. Ein Teil der Leitungstrasse verläuft dabei durch den Bodensee. Zur besseren Steuerung der Spitzengasabdeckung wurden 1985 zwei Flüssiggasbehälter zu Erdgasspeichern umgerüstet, 1987 wurden zwei weitere Erdgasspeicherbehälter im Erdreich der Stadtwerke versenkt.
Kontinuierlich werden Netze und Anlagen modernisiert und saniert, neue Materialien und Werkstoffe sorgen für höchste Sicherheit. Das bekamen die Stadtwerke 2003 erstmals auch schriftlich bestätigt: Als eines der ersten Energieversorgungsunternehmen in Bayern wurden die Lindauer vom DVGW (Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V.) zertifiziert. Über ein Rohrnetz von 273 Kilometer Länge wurden 2020 über 5.508 Hausanschlüsse 23.465 EinwohnerInnen mit Erdgas versorgt.
manu/kim/KS/Quellen: „125 Jahre Gas für Lindau – 75 Jahre Städtisches Gaswerk“/Stadtwerke-Archiv/Fotos: Stadtwerke Lindau